Mit unserem Kunden Solid & Bold realisierten wir ein kommunikatives Schmuckstück für alle Sinne: Die sorgsame Papierwahl, punktuelle Veredelungen, buchbinderische Besonderheiten und ein feinfühliges Layout ergaben in Summe ein einladendes Erlebnis für DasPosthotel im Zillertal. Wir sprachen mit Sergej Ritter-Höntzsch, Gründer und Creative Direction Solid & Bold, über dieses Projekt, die Situation in der Hotelbranche sowie über die Möglichkeiten haptischer Imageträger.
Solid & Bold betreut ja viele Kunden aus dem Hotellerie-Bereich. Welchen Stellenwert hat Print-Kommunikation in dieser Branche ganz generell?
S&B: Die Hotellerie lebt, wenn man’s runterkürzt, vom Erlebnis. Das kann die besondere Matratze sein, die Designlampe, ein zuvorkommender Service oder eben auch das inspirierende Hausmagazin am Zimmer. Alles spricht in einer bestimmten Weise zum Gast. Diese »bestimmte Art und Weise« ist es, die Inhalt zu Kommunikation macht und die wir im Brand Design nicht dem Zufall überlassen wollen. In der Hotellerie haben wir ein weites Spielfeld, um die »richtigen« Gäste mit den »richtigen« Botschaften zu erreichen. Und genau hier kommt das Printmedium ins Spiel. Es ist dieses »Wie« – also wie eine Botschaft übermittelt wird –, das den Zauber von guten Printpublikationen ausmacht. Das ist der Inhalt und die Sprache (Lesevergnügen), das besondere Papier (taktiles Erlebnis), die Typografie und das spannende Design (Seherlebnis), die versteckten Botschaften, die es zu Finden gilt (Serendipität) und noch vieles mehr.
All das sind Qualitäten, die Print leisten kann. In der Ferienhotellerie, in einem Umfeld der Muße, wo dem Lesen mehr Zeit eingeräumt wird als zu Hause, gilt das um so mehr. Hier kommt der Rolle der Print-Kommunikation als Übermittler von Botschaften ein besonderer Stellenwert zu. Auch zukünftig. Was sich geändert hat, und das ganz in unserem Sinne: Die Printproduktionen werden durchwegs hochwertiger. Was auf einem Suitepad oder der Website besser vermittelt werden kann, wandert in diese digitalen Medien ab. Was zurückbleibt, sind die Projekte, in denen Kunden sich bewusst für das Medium Print entscheiden – ergo für dessen »Erlebnisqualitäten«. Print ist also gerade im Hotellerie-Bereich nicht vom Aussterben bedroht, sondern konzentriert sich mehr und mehr auf die eigenen Vorzüge des bewussten und ganzheitlichen Erlebens von Kommunikation.
Empfehlt Ihr als Agentur Euren Kunden gerade jetzt, inmitten einer Krise, den eigenen Auftritt zu festigen?
S&B: Natürlich, denn wir glauben fest daran, dass gerade nach der Krise die Sehnsucht nach Erholung, Gesundheit und gemeinsamer Qualitätszeit besonders groß sein wird. Es wird darum gehen, die richtigen Signale auszusenden, die die richtigen Menschen – also die Wunschgäste unserer Kunden – vom eigenen Angebot überzeugen. Das ist vielleicht der ursprünglichste und wichtigste Job einer Marke. Da viele Hoteliers – gerade bei inhabergeführten Unternehmen – auch im operativen Geschäft tätig sind und von Haus aus wenig Zeit für Markenarbeit haben, könnte die Krise eine Gelegenheit sein, diese Dinge jetzt anzugehen. Mit mehr Konzentration, mehr Zeit und treffsichereren Ergebnissen, als es vielleicht sonst im auslastungsstarken Alltag möglich ist. Dass Investitionen in Marke, Design und Kommunikation aufgrund wirtschaftlicher Unsicherheit gerade besonders auf dem Prüfstand stehen, ist aber häufig die bedauernswerte Realität.
Gerade erschien Eure aufwendige und spürbar emotionale Broschüre für DasPosthotel – was muss Kommunikation in diesem Segment über die reine Information leisten?
S&B: Zunächst mal muss Print für den Gast mehr leisten als Digital. Alles andere würde die Notwendigkeit und die relativ hohen Kosten pro erreichten Leser infrage stellen. Mit jedem Mailing könnte der Hotelier, wenn es um die reine Informationsübermittlung ginge, schneller und billiger ans Ziel gelangen. Glücklicherweise geht es aber nicht nur um Information, sondern auch um das vorher genannte »Wie« einer Botschaft, dem Erlebnis beim Lesen. Das fängt schon bei dem kleinsten Botschafter einer Marke an: dem Buchstaben der eigenen Hausschrift. Typografie kann gerade im Druck so sinnlich und (be)greifbar sein.
Print kann hierbei an die jahrtausendealte Tradition von Lesen auf Papier anknüpfen und ein vertrautes, einfaches und übersichtliches Medium anbieten. Dieses Vertrauen ins Medium erlaubt es uns noch mehr, an den Stellschrauben der Erlebnisvermittlung zu drehen. Wir experimentieren zum Beispiel gerne mit verschiedenen Papiersorten, ungewöhnlichen Bindearten oder aufwendigen Druckveredelungen. Bei der Pure Pleasure Broschüre haben wir zum Beispiel ein umweltfreundliches Papier im Einsatz, bei dem 15 % des Zellstoffs durch natürliche Rückstände von organischen Produkten wie Kirschen, Trauben, Lavendel, Mais ersetzt wird. Das ergibt ein unheimlich lebendiges Papier. Für das öko-zertifizierte DasPosthotel eine schöne und gleichzeitig sinnvolle Wahl, finden wir. Überhaupt glauben wir fest an das taktile Erlebnis als ebenbürtige Ergänzung im digitalen Alltag. Eine gewisse Sehnsucht nach haptischen Erlebnissen unterstelle ich vor allem den Menschen, die noch mit analogen Medien aufgewachsen sind. Hier stehen Papier, Druck und Verarbeitung – bewusst und unbewusst – für Qualität und Reputation des Absenders. Ob das für nachkommende Generation auch gilt, trau ich mich allerdings nicht vorherzusagen.
Mit verkürzten Seiten, verschiedenen Papiersorten, Heißfolienveredelung sowie einer exklusiven Verpackung mit Stanzung ist die Broschüre für DasPosthotel zum Schmuckstück geworden. Die Hotelphilosophie »Sense of Place« wurde so perfekt übersetzt. Wird die Produktion mehr und mehr zum festen Bestandteil in der Gestaltung?
Das kann man so sagen. Und das sieht man auch an der Projektbilanz. Für derartige Produktionen gehen viele Stunden auf das Konto des Produktionsmanagements. Völlig verständlich, wenn man weiß, dass Material, Druckverfahren und Bindung bereits entscheidende Schritte innerhalb der Konzeption darstellen. Erst am Ende über die Produktion nachzudenken, führt zu substanzlosen Ergebnissen. Es braucht bewusste Akzente und ein ganzheitliches Zusammenspiel, um am Ende eine runde Sache zu bekommen. Das ist ein bisschen wie beim Kochen und der Suche nach dem perfekt ausgeglichenen Geschmackserlebnis.
Welche Hilfestellung erwartet man als Kreativagentur dabei heute von seinem Druckdienstleister?
Wir brauchen weniger reine Zulieferer als erfahrene Druckdienstleister, die mitdenken, mitentwickeln, sich mit uns über Innovationen im Printbereich austauschen und uns bereits in der Konzeptionsphase über Möglichkeiten, Risiken und Kostenfallen informieren. Je klarer die Leitplanken gesetzt sind, desto weiter können wir im kreativen Schaffensprozess gehen. Und je klarer wir das konzipierte Produkt im Vorfeld präsentieren können (beispielsweise anhand eines Prototyps, Weißmuster et cetera), umso leichter können wir es auch verkaufen.
Die Rolle des reinen »Fertigers« sehen wir als überholt an. Und unsere Druckdienstleister in ihrem Selbstverständnis übrigens auch. Es ist ein Teil unserer Mission, unsere Kunden vom Wert qualitativer Druckanbieter – und der damit verbundenen Investition – zu überzeugen. Bei Solid & Bild gilt die Devise: »Die Produktion ist die Achillessehne eines Projekts«. Hier entscheidet sich, ob Idee und Design in Wirklichkeit überzeugen. Ein schlecht abgestimmter Druck kann aus einer gediegenen Hotel-Bar schnell eine »tiafe Boazn« (Absteige) machen, wie man bei uns in Österreich sagt.
Die Hotelbranche hat ja in den vergangenen Jahrzehnten einen enormen Wandel erfahren – von reinen »Übernachtungsbetrieben« hin zu ganzheitliche Wohlfühloasen. Hinkt hier die Kommunikation bei vielen noch hinterher? Oder anders gefragt: Die Arbeit geht Euch nicht so schnell aus, oder?
S&B: Vor einem Jahr hätte ich das wahrscheinlich noch leidenschaftlicher bejaht, die derzeitige Krise lässt mich jedoch vorsichtiger antworten. Printmedien müssen sich stärker denn je einem kompetitiven und übersättigten Umfeld von Kommunikationsmedien stellen. Das Versprechen der schnellen Messbarkeit, welches Anbieter intelligenter digitaler Medien geben, ist bei Print nicht so einfach umzusetzen. Dadurch fehlt uns im Verkauf von Print ein schlagfertiges Argument. Zur Zeit der Pandemie, wo in der Hotellerie jede Investition doppelt geprüft wird, keine einfache Ausgangslage. Nichtsdestotrotz freuen wir uns gerade bei unseren bestehenden Kunden über eine gute Auftragslage im Bereich hochwertiger und kreativer Printproduktionen. Die positive Resonanz vieler Gäste dürfte dabei eine entscheidende Rolle spielen. Eine schöne Publikation verschwindet nicht im E-Mail-Verlauf und landet auch nicht im Papierkorb, sondern überlebt und inspiriert nachhaltig. Damit hält die Marke Einzug ins private Umfeld – dem exklusivsten Terrain des Markenauftritts. Auftraggeber, die das verstanden haben und diese Erfahrungen sammeln durften, kommen immer und immer wieder darauf zurück. Auch in Krisenzeiten.
Und noch die Bitte um Ergänzung: Das Jahr 2021 wird …
S&B: Herausfordernd schön. Wir werden den Menschen da draußen mit dem Wahren, Schönen und dem Guten begegnen und der Tristesse damit eine klare Absage erteilen. Die kluge Verbindung von Digital und Print wird dabei einer unserer Hauptaugenmerke für das Jahr sein.